Auch beim Kegeln gibt es einen Ronaldo

 

In der glamourösen Welt des Fußballs wird gegen eine Kugel getreten, in der Nischensportart Kegeln Kugel geworfen, ab und an. Was so nicht stimmt. So spielen der SVH Königsbronn und der TSV Niederstotzingen als höchste Kreisvertreter in der 2. Bundesliga Süd/West, mit dem Zusatz 120. Die Zahl steht für die Würfe, die jeder Spieler, sechs sind es pro Mannschaft, zur Verfügung hat. Und da Bahn nicht gleich Bahn ist, wird nach jeweils 30 Wurf durchgewechselt, sodass jeder Kegler in der Regel auf vier Bahnen sein Können unter Beweis gestellt hat.

Seit zwölf Jahren ist Königsbronn Teil der 2. Bundesliga – und dies mit Spielern aus dem Umkreis, wie Paul Oker, seines Zeichens Kapitän, betont. Einzig Neuzugang Zeljko Valjetic kommt von weiter her, nämlich aus Winnenden. „Er hat unsere Homepage gesehen und gemeint: Da will ich hin“, sagt Paul Oker nicht ohne Stolz.

Kommt ein brutaler Umbruch?

Einen anderen Weg ist in den vergangenen Jahren der TSV Niederstotzingen gegangen – und muss dafür nun wohl den Preis dafür zahlen. Einst waren die Niederstotzinger das Aushängeschild des Kreises. 2004 stiegen sie in die 2. Bundesliga auf, nur ein Jahr später folgte der Durchmarsch in die damalige Deutsche Classic-Liga, die sogar über der ersten Bundesliga angesiedelt war. Nach einem zwischenzeitlichen Abstieg folgte 2009 der nochmalige Aufstieg in die 1. und damit oberste Liga.

In den letzten zwei Jahren mussten der TSV aber viele Topakteure ziehen lassen. „Wir hatten viele Spieler, die von außerhalb kamen und haben gewusst, dass irgendwann der Umbruch kommt“, sagt Bernd Mauterer. „Dass er aber so brutal kommt, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt der Kapitän, über den im Vereinsheft steht, dass er vermutlich von Geburt an TSV-Kegler ist.

Vor zwei Jahren gab es vier Abgänge, vor der aktuellen Saison drei. Eine ganze Mannschaft also, wie Mauterer anmerkt, um nüchtern festzustellen: „Man muss den Tatsachen ins Auge sehen. Es wird einen Neuanfang in der 3. Liga (Verbandsliga) geben müssen.“

Als Tabellenletzter der 2. Bundesliga wird es für die Niederstotzinger nämlich schwer sein, die Klasse zu halten – zwei Absteiger gibt es nämlich. Auch im Heimspiel gegen Königsbronn zogen sie den Kürzeren. Nichtsdestotrotz, der Stimmung tat das keinen Abbruch. Im stillen Kämmerlein vor sich hinwerfen können Sportkegler nämlich gar nicht.

Stimmung wie im Stadion

Von Beginn an treibt eine kleine aber stimmgewaltige Gruppe von Fans zusammen mit den Mitspielern, die gerade nicht an der Reihe sind, den Geräuschpegel mächtig in die Höhe. Je nachdem, wie viele Kegel umfallen, wird der entsprechende Gesang angestimmt. Und da sich gleichzeitig jeweils zwei eigene Spieler mit zwei des Gegners messen, geht ein Fangesang in den anderen über, bis sie zu einer Art Kanon miteinander verschmelzen.

„Es ist eine Stimmung wie im Dortmunder Stadion“, zieht Florian Oker bei seiner Umschreibung alle Register. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, schließlich interessiert er sich für Fußball („Ich habe es auch mit Fußball versucht, das Kegeln war aber doch intensiver“) und spielt sogleich einen Steilpass: „Thomas Rieck da drüben ist der Königsbronns Ronaldo des Kegelns.“

Das sitzt natürlich, allerdings lässt sich der so hochgelobte nicht aus dem Konzept bringen. „Es stimmt schon, ich habe die letzten Jahre auf hohem Niveau gespielt“, sagt Thomas Rieck mit fast schon stoischer Ruhe. Vor zehn Jahren kam er aus Schnaitheim nach Königsbronn und wurde zweimal württembergischer Meister. Gegen Niederstotzingen erzielte er, zusammen mit seinem Teamkollegen Achim Vetter (die beiden bilden das viel beschworene Königsbronner Startpaar) und TSV-Kapitän Mauterer, stolze 601 Kegel.

Schwitzt man überhaupt beim Kegeln?

Um bei Vorurteilen und anderen großen Kleinigkeiten zu bleiben: Schwitzt man dabei überhaupt? Natürlich, betont Florian Oker. „Kegeln ist eine anstrengende Sportart, vergleichbar mit Fußball.“ Und Niederstotzingens Neuzugang Marcel Zimmermann fügt an: „Früher konnte sich das keiner vorstellen, wenn erzählt habe, dass ich in der Bundesliga spiele. Da macht ihr ja nicht viel“, hieß es, erinnert sich der 23-Jährige. „Ich habe dann angeboten: Komm vorbei, trainier mit mir mit und dann wirst du sehen, was am nächsten Tag los ist.“

Und tatsächlich, am nächsten Tag konnte der Kumpel nicht einmal richtig die Treppen hochlaufen, weil er solchen Muskelkater in den Oberschenkeln und in der Gesäßmuskulatur hatte. „Belächeln kann man jede Sportart, aber man sollte sie mal selbst ausprobieren“, sagt Zimmermann.

Kegelderby: Der SVH Königsbronn gegen den TSV Niederstotzingen

 

Das war eine Demonstration: Bereits das Königsbronner Startpaar Achim Vetter und Thomas Rieck gewannen nicht nur beide Mannschaftspunkte, sondern holten auch einen deutlichen Vorsprung von 126 Holz heraus. Damit war eigentlich bereits die frühe Vorentscheidung im Kreisderby gefallen.

Begünstigt wurde Königsbronns Sieg auch dadurch, dass Niederstotzingens Topspieler, Gernot Ulbrich, einen rabenschwarzen Tag erwischte. Beim 45-Jährigen lief fast gar nichts zusammen, am Ende kam Ulbrich gegen Rieck nur auf 543 Kegel. Erstaunlich: Beim SVH knackten beide Startspieler die 600er Marke. Denn auch Vetter ließ Niederstotzingens Esref Genctürk deutlich hinter sich.

Im Mittelpaar keimte beim TSV aber noch einmal Hoffnung auf. Niederstotzingens Kapitän Bernd Mauterer machte gegen Königsbronns Debütanten Daniel Fessler über 40 Kegel gut und holte den ersten Zähler für die Gastgeber.

Eng war das Duell zwischen Marcel Zimmermann (TSV) und Uwe Fauth. Bei einem 1:2-Satzrückstand schien auf der Schlussbahn alles für den Niederstotzinger zu laufen. Zimmermann spielte ein brillantes Volles (104:81) und lag damit wieder vorne. Fauth räumte aber prima ab, während sich beim TSVler die Fehler häuften. Das Duell kippte erneut und der SVH verbuchte damit den Punkt zum 3:1.

Die Gäste nahmen respektable 116 Kegel Vorsprung mit in den Schlussabschnitt. Doch Niederstotzingen wartete mit einer Überraschung auf. Thomas Schmid, der den Kegelsport 2015 als schnittbester TSVler wegen einer Knieverletzung aufgeben musste, war extra für das Derby reaktiviert worden. Und der TSV holte auf. Erwin Bee gewann gegen Florian Oker den Mannschaftspunkt. Schmid lieferte sich nach über zweieinhalb Jahren Wettkampfpause ein interessantes Duell mit SVH-Routinier Paul Oker, Königsbronns Führung bei der Holzzahl war aber zu deutlich.

Königsbronn gelang damit beim vierten Gastspiel in Folge der dritte Sieg (bei einem Remis). „Bei uns hat heute die Teamleistung nicht gepasst. Und Königsbronn hat ein hervorragendes Startpaar“, analysierte TSV-Kapitän Mauterer.

 

Stenogramm:

Ulbrich - Vetter 0:4 Sätze/543:601 Kegel, Genctürk - Rieck 1:3/554:601, Zimmermann - Fauth 1:3/539:552, Mauterer - Fessler 2:2/601:578, E. Bee - F. Oker 3:1/574:565, Schmid - P. Oker 2:2/587:578

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